Die Handorfer Mühle
150 Jahre Wahrzeichen der Gemeinde Handorf
Die Handorfer Mühle, ein weithin sichtbares
Wahrzeichen, ziert das Handorfer Wappen
neben der Kirche und der Maiblume.
Zur Geschichte:
„Eine Mühle in Handorf, das wäre schön!“ Die Bauern und Müller sehnten sich damals nach einer Mühle in ihrem Dorf. Doch aufgrund des alten Mahl- und Mühlenzwanges musste das Handorfer Getreide zur Barumer Mühle gebracht werden.
Dann endlich - ein Gesetz vom 17. März 1868 schaffte grünes Licht für den Bau einer Mühle in Handorf. Dies war dann auch das Startzeichen für den Schneverdinger Müller und Mühlenbauer Jürgen Meyer. Anfangs hatte er auch eine Wassermühle an der Roddau in Erwägung gezogen. Doch wegen der im Sommer mangelnden Wasserführung des Baches verwarf er diese Idee.
Am 11. Juni 1868 richtete er ein Gesuch an die Landdrostei zu Lüneburg und bat um die Genehmigung zur Einrichtung einer Windmühle in Handorf. Es gab auch einen zweiten Bewerber, Müllergeselle Piel aus Lüneburg. Den Zuschlag aber erhielt Jürgen Meyer. Die Behörde genehmigte dann am 5. Oktober 1868 den Mühlenbau, auch gegen den Einspruch der Lüneburger Müller Behr und Findorf (Handorf war nach dem Brand der Barumer Mühle Lüneburg zugeteilt).
Als Baugelände wählte Meyer die Ackerstücke auf dem sogenannten Handorfer "ruh'gen En'n". So nennt der Volksmund noch heute den südlichen Ortsteil. Wie aus der plattdeutschen Bezeichnung hervorgeht, pfiffen hier zu jener Zeit besonders rauhe Winde, die ja für den Antrieb einer Windmühle eine wichtige Voraussetzung sind. Sofort begann Jürgen Meyer mit den Bauarbeiten. Vorteilhaft war dabei, dass er auch Mühlenbauer war. Für die Handorder und Wittorfer Bauern erfüllte sich so ein uralter Wunsch und sie unterstützten ihn nach Kräften.
Jürgen Meyer baute keine Bockmühle wie sie früher gebräuchlich war, nein er entschied sich für eine holländische Mühle oder auch Turmmühle. Die war damals sehr modern. Der obere Teil ist mit einen Windmotor gegen den Wind drehbar. Das turmartige Haus steht starr und fest. Die Drehung des Turms mit seine Flügeln erfolgt selbstständig durch ein kleines Hilfswindrad.
Im Herbst 1869 wurde die Mühle fertig gestellt und der Erbauer übergab sie an seinen ältesten Sohn, Georg.
Georg Meyer kam in den folgenden Jahren mit seinem Betrieb gut voran. Neben der Belieferung der Bäcker mit grobem Mehl war vor allem das Schroten von Futtergetreide eine Haupteinnahmequelle.
Nach und nach konnte der Windmüller sein anfangs kleines Mühlengrundstück durch Zuerwerb von "Erbenzinsland" aus den Besitzungen der Höfner Koops und Rieckmann sowie aus dem Besitz des Pfarrwitwentums erweitern. Auch kaufte er sich zur Betreibung einer kleinen bis mittleren Landwirtschaft einzelne Wiesen- und Ackerflächen.
Da er sehr tüchtig und schriftgewandt war, wählten ihn die Handorfer im Jahre 1880 zum Geschäftsführer und Bevollmächtigten ihrer "Neuen Realgemeinde" (Interessentenhof, Gemeindehof).
Die Betriebseinrichtung der Windmühle verbesserte er im Jahre 1907 durch den Einbau eines Sauggasmotors. Den benötigte er an windfreien Tagen. Ferner erfolgte die Einrichtung einer stationären Lohndrescherei. Georg Meyer war kapitalkräftig genug, um noch im gleichen Jahr für seinen Sohn Georg die Bardowicker Windmühle zu kaufen. Er starb im Jahre 1912. Danach führte seine Witwe Dorothea, geborene Müller, die aus Salzhausen stammte, den Betrieb weiter.
Im ersten Weltkrieg fielen drei Söhne, auch der Mühlenerbe Adolf. So erbte im Jahre 1918 der Sohn Wilhelm, welcher ebenfalls das Müllerhandwerk erlernt hatte, die Mühle. Er baute sie 1921 vollständig neu aus und brachte sie auf ein für damalige Verhältnisse höchstmodernen Stand. Er versah sie mit einem Dieselmotor und einer elektrischen Anlage für den gesamten Betrieb. Von jetzt an wurde auch Feinmüllerei betrieben. Die Lohndrescherei kam in seiner Zeit zur Hochblüte.
Aber auch für die berufsständische Arbeit stellte er sein Können zur Verfügung. Lange Jahre hatte er das Amt des Obermeisters inne. Nach Erreichung der Altersgrenze wurden seine Verdienste um das Müllerhandwerk durch die Ernennung zum Ehrenobermeister gewürdigt.
Zwei seiner drei Söhne, Wilhelm und Gerhard, hatten ebenfalls das Müllerhandwerk erlernt und nach der Lehr- und Gesellenzeit die Meisterprüfung abgelegt. Im Jahre 1957 pachteten sie den Betrieb in Gemeinschaft . Die Gebrüder Meyer legten fortan das Hauptgewicht auf den Futtermittelhandel. Doch auch der Schrot- und Mahlbetrieb wurde beibehalten. Das Lohndreschgeschäft florierte auch noch gut zu dieser Zeit, doch ließen die ersten in Betrieb befindlichen Mähdrescher das Ende dieses wichtigen Betriebszweiges absehen.
Kurz vor seinem Tode im Jahre 1961 setzte der Altmüller seinen jüngsten Sohn Gerhard zum alleinigen Erben des gesamten Besitzes ein. Gerhard Meyer übernahm das Geschäft in einer Zeit allgemeiner betrieblicher Umstellung, wovon das Müllerhandwerk ähnlich der Landwirtschaft ganz besonders betroffen war. Aus diesen Grund plante er auch eine Modernisierung des Betriebes und liebäugelte mit dem Einbau einer Korntrocknungsanlage. Doch leider verwirklichte er sein Vorhaben nicht. Da gleichzeitig das Geschäft merklich zurückging, entschloss er sich zum Verkauf des Besitzes.
Nun war es mit der Müllerdynastie Meyer nach fast 100-jährigem Bestehen vorbei. Das bedeutete für Handorf in jeder Hinsicht einen Verlust, denn der Meyersche Betrieb immer ein besonderer Anziehungs- und Mittelpunkt gewesen.
Man sagte damals in Handorf: "Up de Möhl is ümmer watt los."
Da der Müller kein Spielverderber war, wurde hier mancher Jux und Ulk getrieben, so dass das Dorf eigentlich nie um Gesprächsstoff verlegen war. Noch heute werden gern in gemütlicher Runde Anekdoten und kleine Begebenheiten aus der Zeit, als Handorf noch einen Müller hatte, erzählt.
Nach 100 Jahren Betrieb wurde die Handorfer Mühle 1969 still gelegt. Nachdem sie zunächst dem Verfall preisgegeben war, erwarb sie 1983 Volker Schütz. Das innere Balkenwerk war noch tadellos erhalten. So führte er bis 1984 notwendige Erhaltungs- und Renovierungsarbeiten der denkmalgeschützten, nicht mehr betriebsfähigen Mühle durch und baute sie zu einer Wohnung um. Damit können die Einwohner Handorfs auch weiterhin stolz auf ihr Wahrzeichen sein!
Quelle: Gustav Rieckmann, Aus der Geschichte eines Dorfes in Niedersachsen, April 1997, Dieter Wesner.
Vielen Dank für die Hinweise und Unterstützung an Harald Ahrendt.