Das Kirchdorf Handorf liegt auf einer Anhöhe (5-6 Meter über NN) am Rande des Urstromtals der Elbe. Früher umschloss Elbe- und Imenau Hochwasser den alten Ortskern zu einer Insel. Daher könnte Handorf ‚Hohes Dorf‘ bedeuten. Handorf könnte durch die Sachsen im 6. Jahrhundert gegründet worden sein oder die Langbarden siedelten möglicherweise noch früher hier.
1086 | Erste urkundliche Erwähnung als ‚Hanthorp‘. |
1197 | Erste Erwähnung der Handorfer Kirche als Filiale des Bardowicker Doms. |
1282 | Das Kloster Lüne erhält das Patronat (Schutzherrschaft) über die Handorfer Kirche. Auch die meisten Handorfer Höfe wurden nach und nach vom Nonnenkloster gekauft. |
1372 | Handorf brennt infolge des Lüneburger Erbfolgekrieges ab. |
1564 | Ein Besitzerverzeichnis dokumentiert erstmals die Anzahl der Handorfer Bauern: 9 Höfner, 19 Kötner,1 Pfarrhof, 1 Küsterhof und Clues. |
1573 | Bau des Pfarrwitwenhauses. Mit der Einführung der Reformation in Bardowick (1529), das heißt Beendigung der katholischen Zeit und Abschaffung des Zölibats, stellte sich für die Kirchengemeinden die Frage der Sorgepflicht für die Pastorenwitwen. Der Bau von Witwenhäusern wurde per Verordnung voran getrieben. Mit Einführung des Beamtenstatus der Pastoren und der damit verbundenen Alters- und Witwenversorgung 1919 wurde das Pfarrwitwentum überflüssig. |
1627 | Großbrand durch Brandstiftung dänischer Soldaten im 30jährigen Krieg. |
1816 | Das Landgestüt Celle richtet eine Hengststation ein. Im Schnitt standen hier 4 Hengste. Die Station wurde 1975 nach Roydorf verlegt. |
1832 | Handorf erhält eine Schmiede. Nachdem die Lüneburger Schmiedegilde lange durch Bannrechte die Ansiedelung eines Schmiedes in Handorf verhindert hatte, erteilte die königliche Landrostei zu Lüneburg dem Schmiedegesellen Christian Andreas Rötting am 24.08.1829 die Konzession ‚zur Treibung eines Schmiedehandwerks in dem Dorfe Handorf‘. Nach anfänglichem Widerstand der Gilde wurde die Schmiede im Frühjahr 1832 fertiggestellt. Den wesentlichen Teil der Schmiedearbeit machte der Hufbeschlag aus. Immerhin gab es wohl einen durchschnittlichen Bestand von 100 Pferden. Später in dritter Generation mit Wilhelm Rötting (‚Meister Gleunig‘) kam der Kutschenbau hinzu. Seine Söhne führten die moderne Landtechnik ein, die 1926 zur Konstruktion eines Dreschmaschinenmodells führte. Mit Heinrich Rötting begann dann die Produktion der Röttingschen Dreschmaschine, ‚Erntefreund‘genannt, in zwei Modellvarianten. Bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges wurden ca. 100 Maschinen verkauft. Materialknappheit stoppte dann die Produktion. Der Hufbeschlag fand in den 70er Jahren sein Ende. Dafür wurden die Zweige Kraftfahrzeugreparatur und Heizungsbauaufgebaut. |
1852 bis 1854 |
Bau einer neuen Kirche (neugotisch). Die im 15. Jahrhundert entstandene Fachwerkkirche war baufällig geworden. Der Kirchenvorstand des Kirchspiels, bestehend aus den Dörfern Handorf, Rottorf, Sangenstedt, Oldershausen, Fahrenholz, Hunden und Mover hatte 1849 den Neubau der Kirche beschlossen. Bauherr war Pastor Karl Friedrich Mannes, der von 1847-1860 Pastor in Handorf war. Zimmermeister Christoph Benecke aus Kirchgellersen baute die Handorfer Kirche nach den Plänen des Lüneburger Stadtbaumeisters Holste. Nach einigen Streitigkeiten, zum Beispiel, ob die Kanzel über den Altar kommt oder seitlich, wurde die Kirche vollendet und das Werk mit einem Kirchweihfest, das jährlich stattfand, gekrönt. Einiges wurde aus der alten Kirche übernommen: Eine Glocke aus dem Jahre 1433 gegossen, der Taufkessel und die Madonnen-Skulptur (beide etwa um 1450). Der Glockenturm wurde vom Pastor Johann von Deyen bereits um 1651 errichtet. Strittig ist die Namensgebung. In der ‚ Land-Stadt-und Haus-Postille‘, aus dem Jahr 1691 herausgebracht wurde, wurde die Kirche als Peter und Paul Kirche bezeichnet, d.h. sie war den heiligen Peter und Paul geweiht. Zahlreiche Mariensymbole (Marienskulptur), ein Bildnis von Maria mit Kind im Mittelfenster hinter dem Altar, das Marienbildnis ist Mittelpunkt auf der Taufe, im Turm hängt eine Marienglocke und es gibt ein Kirchensiegel, das Maria mit dem Kind im Bild zeigt) führten bei Pastor Stegen zu einem Umdenkungsprozess und so wurde Anfang der 60er Jahre der Name Marienkirche eingeführt. |
1855 | Extremes Hochwasser. Am Neujahrstag setzte Nordweststurm begleitet von Regen Hagel, Schnee und Blitzschlägen ein und sorgten in der gesamten Marsch für eine Katastrophe. Einsetzender Frost verhinderte das Abfließen des Wassers. Die Eisschicht wuchs bis zu 90 Zentimeter. Anfang März setzte elbaufwärts das Tauwetter ein. Wasser und Eismassen trieben heran. Viele Häuser wurden von den Eisschollen beschädigt, weggeschoben oder umgeworfen. Am 20. März brach der Artlenburger Elbdeich, so dass das Wasser bis an die zweite Stufe des Kircheneingangs reichte. Die neuerbaute Kirche blieb aber wasserfrei. Das Vieh wurde mit Ilmenau-Ewern evakuiert, die durch die Dielentore (Missendör) kamen, um es auf zu nehmen. Menschen und Vieh wurden nach Bardowick, Mechtersen, Vögelsen und Radbruch evakuiert. Das Wasser fiel nur langsam, so dass die Äcker nicht vollständig bestellt werden konnten. Die Behebung der Schäden verlangte hohen Arbeitseinsatz und verschlang erhebliche Geldsummen. |
1857 | Erstmalige Erwähnung eines Tannenbaums und Kerzen als Ausschmückung des Altars in der Kirche. Wegen der knappen Jahre war dies nicht jedes Jahr der Fall. Ab Mitte der 1880er Jahre hielt der Tannenbaum auch in den Bauernhäusern Einzug. |
1869 | Fertigstellung der Holländer-Galeriemühle. Diese wurde nach Antrag des Müllers und Mühlenbauers Jürgen Meyer aus Schneverdingen von der Lüneburger Landrostei genehmigt. Als Baugelände hatte Meyer Grundstücke im sogenannten ‚ruh’gen En’n‘ im südlichen Ortsteil gewählt. Hier pfiffen besonders rauhe Winde, die zum Mühlenantrieb wichtig waren. Es wurde Mehl für die Bäcker erzeugt und Futtergetreide geschrotet. 1921 wurde die Mühle erneuert und es kam die Feinmüllerei und die Lohndrescherei dazu. Ende der 50er Jahre wurde der Schwerpunkt auf den Futtermittelhandel gelegt. In den 60er Jahren wurde Betrieb nach fast 100 Jahren wegen des Geschäftsrückgangs als Folge des Strukturwandels in der Landwirtschaft, wie zum Beispiel dem Aufkommenden Einsatz von Mähdreschern, verkauft. |
1880 bis 1955 |
Interessentenhof (‚Neue Realgemeinde‘, ‘ Gemeindehof‘). Auf dem Vollhof Nr.7 starb der Hoferbe Anton Meyer 1878 im Alter von 32 Jahren und es fand sich kein Erbe mehr. Der Hof wurde für 52000 Mark an Friedrich Hagelberg aus Salzhausen verkauft. Als dieser die Flächen einzeln gewinnbringend verkaufen wollte, waren sich nahezu alle Bauern in dem Bewusstsein der Unteilbarkeit eines Hofes einig, dieses zu boykottieren. So kam es dazu, dass die Dorfgemeinschaft den Hof für 55500 Mark erwarb. Es wurde ein Vorstand gewählt und die Beteiligung der Mitglieder wurde der Hofgröße entsprechend geregelt. Die Hofstelle wurde von Peter Peters (heute Tangermann) erworben. Nach mehrmaligen Anträgen am 10. Juni 1955 im Gasthaus Rieckmann wurden 172 Morgen Land verlost. Basis hierfür war ein Aufteilungsplan mit möglichst gerechten Losen. Auch mussten Flächen geteilt werden. Ein Vollhöfner bekam ca. 9 Morgen, ein Halbhöfner ca. 4,5 Morgen, ein Brinksitzer ca. 1,5 Morgen und ein Anbauer ca. einen ¾ Morgen. |
1886 bis 1888 |
Bau des Ilmenau-Kanals, Anschluss an den bereits vorhandenen Neetze-Kanal. |
1899 | Einführung des Maiblumenanbaus durch den Halbhöfner Peter Voß (heute Werner Schmidt). Das Maiblumengeschäft florierte vornehmlich in den Vierlanden. Dort war man darauf bedacht, dass das so bleibt. Mit der Einheirat einer Schwester von Peter Voß‘ Ehefrau in ein Vierländer Haus gelang es, Maiblumenranken zu ergattern. Peter Voß und Peter Deetz (heute Henry Deetz) waren dann die ersten Maiblumenanbauer in Handorf. Die Maiblumenernte beginnt meist Anfang Oktober nach 2-3 Jahren Wachstumszeit. Dann werden die Pflanzen gerodet und in den Maiblumenstuben Spitzen (aus denen Maiglöckchen sprießen) von den Ranken (die wieder in die Erde kommen) getrennt. Die Pflanzung muss vor Eis oder Schnee geschehen. Die Spitzen, aus denen die Blüten in zwei bis drei Wochen treiben, werden gebunden und dann exportiert. Nach ein paar Anlaufjahren, in denen man Händler für die Ware gewinnen musste, entwickelte sich der Anbau zu einem guten Geschäft. Mit kleiner Fläche konnte verhältnismäßig viel Geld verdient werden. In den 30er Jahren gab es 30 Maiblumen anbauende Betriebe. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1930 fiel der Preis auf ein Fünftel des Bisherigen, der Zweite Weltkrieg führte zum fast völligen Marktzusammenbruch, bis der Anbau völlig verboten wurde, weil Nahrungsmittel erzeugt werden sollten. Man rettete aber einen Bestand, indem man die Bestände mit Getreide übersäte, so dass sie nicht mehr zu erkennen waren. Mit dem Weltwirtschaftswunder bekam der Maiblumenanbau in den 50er Jahren wieder einen gewaltigen Aufschwung. 1953 gab es 54 anbauende Betriebe. Der Höchststand waren bis zu 80 Betriebe. Das Dorfleben fand im Oktober im Wesentlichen in den Maiblumenstuben statt. Hier wurde alles kommuniziert. Die Maibloomenköst bildete den geselligen Abschluss der Maibloomentied. Probleme in der Blütezeit bildete der Nematodenbefall. In den 80er Jahren gab es noch rund 30 Betriebe, die Maiblumen zogen. Heute sind es leider nur noch Wenige. |
1905 | Bau einer Schule |
1921 | Gründung des Milchkontrollvereins Handorf. Im Jahr 1928 steht der Verein mit einer Durchschnittsleitung von 5078 kg Milch (heutiger EU-Schnitt: 6700 kg, heutiger Deutschlandschnitt: 7140kg) und 3,15% Fett (heute etwa 4%) im Bereich des Lüneburger Herdbuchs an erster Stelle. |
1938 | Einrichtung eines Reichsarbeitsdienstlagers. |
1949 | Nachdem 1946 das Schul- und Küsterhaus abgebrannt ist, wird mit dem Bau einer neuen Schule begonnen. |
1980 | Beginn der Flurbereinigung. Freigabe der Bundesstraße 404 als Ortsumgehung. |
1992 | Eröffnung des Handorfer Kindergartens Kunterbunt, der damit den Kinderspielkreis der Handorfer Kirche ablöst. |
2005 |
Durch die Erschließung neuer Baugebiete hat sich innerhalb von 10 Jahren |
2007 | Eröffnung des Handorfer Jugendzentrums (JUZ) |
Dieses ist nur ein kleiner Auszug aus der Geschichte Handorfs. Mehr Details, Geschichten und Anekdoten Handorfs befinden sich in den unten genannten Referenzen. Hier hat sich besonders der Handorfer Dorfchronist Gustav Rieckmann (gestorben am 22.02.2007) verdient gemacht, in dessen Nachlass sicher noch manche Schätze verborgen sind.
Referenzen:
1. Gustav Rieckmann, Handorf, ‚Aus der Geschichte eines Dorfes in
Niedersachsen‘, herausgegeben von Dieter Wesner, 1997
2. Aus der Geschichte Handorfs‘, Walter Hartwig, 1953
3. Diverse Veröffentlichungen von Gustav Rieckmann auf der Wochenendseite
des Winsener Anzeigers für Geschichte und Heimatkunde.
Karl-Heinz Raabe, 31.12.2012